Hauptbefunde: Vorbehalte der Schweizer Bevölkerung gegenüber Künstlicher Intelligenz im Journalismus
Über diese Publikation
Spätestens seit der Lancierung von ChatGPT und anderen generativen KI-Tools ist die Künstliche Intelligenz (KI) in den Fokus der Medienbranche und der Gesellschaft gerückt. In der Jahrbuch-Ausgabe 2023 legen wir deshalb einen Schwerpunkt auf das Thema. Unsere Studie «Künstliche Intelligenz in der Nachrichtenproduktion » untersucht mit einer repräsentativen Umfrage die Wahrnehmung und Akzeptanz der Verwendung von KI im Journalismus in der Schweizer Bevölkerung. Für die Studie haben wir mit Prof. Dr. Mike Schäfer und Quirin Ryffel vom Institut für Kommunikationswissenschaften und Medienforschung der Universität Zürich (IKMZ) zusammengearbeitet. Deutlich wird aus den Resultaten, dass die Akzeptanz für KI-generierte Textbeiträge im Journalismus bei den Schweizer: innen noch gering ist. Lesen wollen die Befragten lieber Inhalte, die nicht von KI, sondern von Journalist: innen geschrieben sind. Die tiefe Akzeptanz für KI-generierte Inhalte zeigt sich vor allem in den Hardnews-Bereichen, insbesondere der Politikberichterstattung. Etwas höher ist die Akzeptanz für KI-generierte Inhalte in der Routine-Berichterstattung etwa zum Wetter oder Börsengeschehen oder in der Softnews-Berichterstattung zu «Stars und Celebrities». Die Befragten erwarten, dass KI-generierte journalistische Inhalte deklariert werden. Die Mehrheit der Befragten ist auch der Ansicht, dass ein vermehrter Einsatz von KI der Qualität von Nachrichten abträglich ist – eine Mehrheit ist hier sogar der Meinung, dass KI im Journalismus zu mehr Falschnachrichten führe. Der tiefen Akzeptanz entsprechend ist auch die Zahlungsbereitschaft für KI-generierte Inhalte gering. Deutlich mehr Befragte geben an, für von Menschen produzierte journalistische Inhalte bezahlen zu wollen als für KI-generierte. Gleichzeitig gehen die Befragten davon aus, dass Medienunternehmen mit KI Geld sparen. Erwarteten Kosteneinsparungen steht also eine tiefe Zahlungsbereitschaft gegenüber. Ein Resultat ist medienökonomisch und mit Blick auf die aktuelle Debatte zum Leistungsschutzrecht besonders relevant: Laut der Mehrheit der Befragten sollen KI-Unternehmen journalistische Anbieter dafür entschädigen, wenn sie für ihre automatisierten Antworten auch auf journalistische Inhalte zurückgreifen. In einer weiteren Studie untersuchen wir – passend zum Wahljahr 2023 – die politische Positionierung der Schweizer Medien auf Basis der Medienberichterstattung zu Volksabstimmungen im Zeitraum 2018–2023. Es zeigt sich, dass Schweizer Medien häufiger Behördenvorlagen unterstützen, also solche der politischen Mehrheit, während Volksinitiativen, als politisches Mittel der Herausforderer, in den untersuchten Medien regelhaft einen schwereren Stand haben. Linke Volksinitiativen stossen auf leichte, von rechts lancierte Initiativen auf starke Ablehnung. Wenn man nicht unterscheidet, ob es sich um Volksinitiativen oder Behördenvorlagen handelt, erhalten Vorlagen mit Unterstützung von Mitte-links etwas mehr Zuspruch als Vorlagen, die von Mitte-rechts unterstützt werden. Unsere Studie zur Vielfalt der Berichterstattung über alle Schweizer Gemeinden in Schweizer Medien für den Zeitraum 2015 bis 2022 zeigt, dass die Berichterstattung stark auf die städtischen Räume konzentriert ist. Allerdings haben Gemeinden ausserhalb der Zentren seit 2019 auf Kosten der Städte an Resonanz gewonnen. Ein Vergleich mit der Wohnbevölkerung zeigt, dass vor allem Tourismusdestinationen wie St. Moritz oder Adelboden und zentrale Verkehrsknotenpunkte wie Göschenen oder Realp in den Medien viel Resonanz erhalten. Grosse Agglomerationsgemeinden wie Köniz oder Vernier werden hingegen tendenziell weniger stark beachtet. Die Vielfalt der Unternehmensberichterstattung ist stark eingeschränkt. Das belegt eine weitere Vertiefungsstudie, die in Zusammenarbeit mit der Beratungsfirma CommsLAB entstanden ist. Trotz wirtschaftlich abnehmender Bedeutung fokussiert mehr als die Hälfte der Unternehmensberichterstattung auf die Finanzindustrie. Ebenfalls dominieren Skandale, es wird also häufig negativ und moralisierend über Schweizer Unternehmen berichtet. Ein solches, durch Negativität geprägtes Bild kann bei wirtschaftspolitischen Vorlagen und Abstimmungen zum Problem werden. Der Vertrauensverlust in die Unternehmen kann dazu führen, dass wirtschaftspolitische Reformvorhaben nicht mehrheitsfähig sind.